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Das Dreigestirn an der Spitze der Kunstschule Labyrinth im Jubiläumsjahr. Von links: Rainer Kittel, Heike Grüß, Jochen Raithel.
Michael Langjahr

Ludwigsburgs vereinte Institutionen der Kunst

Ludwigsburg: Dieses Haus hat viele Bewohner. Schwer, den Überblick zu bewahren, bei all den Institutionen, Kursen, Veranstaltungen, Projekten, Talenten, die in der einst militärisch genutzten Karlskaserne seit dem Jahre 1991 arbeiten. Wir haben die Kaserne anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Kunstschule Labyrinth und seiner neuen Leiterin der Sparte Bildende Kunst, Heike Grüß, besucht.

Das Kunstzentrum in der Hindenburgstraße, in dem sich die Kunstschule befindet, ist ein Gewächshaus mit einem fruchtbaren Boden und einem guten Klima, in dem jedes Talent reifen kann. Um die Pflanzen kümmern sich erfahrene Gärtner, die zurückschneiden (kritisieren), die düngen (fördern) und umtopfen (einen Kurswechsel anmahnen), wo es Sinn macht. Für viele Außenstehende ist die Kunstschule nicht das einzige Labyrinth der Karlskaserne. Warum ist es so schwierig, sich in diesem logisch aufgebauten Komplex zurechtzufinden? Ist denn keiner da, der weiß, wo's langgeht?

Die Kasernierten

Heike Grüß, Rainer Kittel und Jochen Raithel stehen an der Spitze der Kunstschule Labyrinth. Mit ihrer Hilfe sollte es doch möglich sein, ein wenig Licht in die Gänge des Hauses zu werfen. Aufklärungsarbeit im Dienste der Leser steht auf der Tagesordnung. Die größte Veranstaltung in der Karlskaserne ist das alljährlich stattfindende Open-Air-Kino. In diesem Sommer kamen zirka 33 000 Zuschauer. Das ist fast ein Drittel aller Besucher, die jedes Jahr in die Karlskaserne kommen. Der Veranstalter des Kinofestes ist der Verein Kinokult, ein Sommergast, der Miete bezahlt. Ähnliche Mieter sind Scala Kultur und die Schlossfestspiele. Dann gibt es die Ganzjahresbewohner. Die Kunstschule Labyrinth ist eine städtische Einrichtung. Sie hat sich der Förderung und der Ausbildung vor allem von Kindern und Jugendlichen in den Bereichen Bildende Kunst, Tanz und Theater verschrieben. Jochen Raithel leitet die Schule und organisiert das Kunstzentrum. Rainer Kittel ist seit 1988 für Tanz und Theater verantwortlich. Heike Grüß kümmert sich als Nachfolgerin von Gerhard Foltin um die Bildende Kunst. Die Tanz- und Theaterwerkstatt wurde 1982 in Marbach gegründet. Die TTW ist ein gemeinnütziger Verein, der 1995 in die Karlskaserne kam. Bettina Gonsiorek führt diese Institution der Bühnenkunst, in der Jedermann aktiv an den zeitgenössischen Formen des Tanzes und des Theaters teilhaben kann.
Die Junge Bühne Ludwigsburg ist das städtische Bühnenprogramm für die ganz jungen Augenpaare. Allen voran Sybille Hirzel sorgt dafür, dass die besten Jugend-Produktionen in der Karlskaserne vorbeischauen. Der Verein Kulturwelt probt und inszeniert eigene Stücke, die Volkshochschule der Stadt Ludwigsburg nutzt für ihre Zwecke diverse Ateliers, dazu kommen musikalische Dauergäste wie die Jugendmusikschule, die Harmonika-Gemeinschaft und der Harmonika-Spielring. Selbstverständlich gibt es in einem Areal, das so vielen Spielern ein Dach gibt, Berührungspunkte. Das prominenteste Beispiel für eine Produktion, bei der ziemlich viele Karlsschüler aus unterschiedlichen Abteilungen an einem Strang ziehen, ist das Bürgertheater Ludwigsburg.

Die Irrwege

Der moderne Mensch, der vor der Karlskaserne steht, will wissen, woran er ist. Er sucht nach Orientierung. Es reizt ihn zu erfahren, wer da drin was macht. Für das Kind, für den Jugendlichen, für den Erwachsenen, der in die Karlskaserne kommt, um in diesem Zentrum der Kunst aufzublühen, spielt es keine Rolle, bei wem er in die Schule geht. Im Idealfall taucht er ein in diesen Humus der Kunst und verlässt den Nährboden der Karlskaserne jedes Mal mit neuen Anregungen und Erkenntnissen. Den Dozenten und Pädagogen der Karlskaserne geht es darum, den Menschen jeglichen Alters die Chance zu geben, ihren künstlerischen Neigungen zu folgen und ihre Talente zu entwickeln. Dass man sich dazu in der Karlskaserne ruhig verirren und verlaufen kann, dass es förderlich ist, bei mehreren Institutionen mehrere Kurse zu belegen, bis der richtige Weg gefunden ist, das ist nicht nur gewollt, es ist ein Geschenk. Nur wer umherirrt, der kann überraschende Erfahrungen machen. Wer die Route vorher kennt, kommt zwar schneller ans Ziel, aber ist es nicht so, dass jene, die langsamer reisen und Umwege in Kauf nehmen, mehr sehen und erfahren? Die Reise eines Künstlers sollte Zufälle zulassen. Irren, Verirren sollte sein tägliches Brot sein. Darum heißt die Kunstschule der Karlskaserne bis heute Labyrinth. Walter Benjamin hat geschrieben: "Sich in einer Stadt nicht zurechtzufinden heißt nicht viel. In einer Stadt sich aber zu verirren, wie man in einem Walde sich verirrt, braucht Schulung." Wer sie sucht, findet sie in der Karls-kaserne .